Folge 6: Üble Diagnose – aber kein Schock

29. März 2016: Kantonsspital Baden

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Cyborg mit Reissverschluss: Tag 2 nach der OP in Baden. Foto: Stella *

Und wieder: Die Erinnerungen an die Tage im Spital Baden sind durchaus beschwingt. Weiches Erwachen nach der Operation, sanftes Liegen im Bett – immer mit dem Opiat-Knöpfchen in der Hand. Die Bilder in der Erinnerungen lernen wieder Laufen. Ich gehe zum Lift, fahre runter, gehe in den Raucherraum … und rauche. Soviel ich will. Ich trage ein Gestell um Hals und Brust, meine verschraubten Knochen sind gut fixiert.

Im Zimmer sind wir eine sauglatte Truppe: Ein Sozialarbeiter mittleres Kader, Fachgebiet Drogenrehabilitation, langhaarig, Typ Wollpulli und Jesus-Sandalen, mit mehrfachem Beckenbruch – nach einem Sturz beim Skateboarden.

Und ein junger Italo, selbständig im Bereich Autos oder so, ein Händler von irgendwas aus dem Reusstal. Mama bringt ihm täglich Essen ans Bett. Er redet viel und lustig, kann aber nicht aufstehen. Der Wullige und ich kiffen einmal. Woher der Joint kam weiss ich nicht mehr. Es war lustig.

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Mein Operateur Dr. med. Alexander Tapio Mameghani (links) und Dr. med. Martin Jäger leiten das herausragende Team. Foto: KSB

Dr. Alexander Mameghani hat mich operiert. Heute reicht er die Blumen weiter: «Im Hintergrund hat es natürlich die gesamte Notfallstation gebraucht, die so gut reagiert hat und das OPS-Personal, dass mich unterstützt hat», schreibt er auf Nachfrage. Die Narkoseärzte hätten eine anspruchsvolle Narkose durchführen müssen, die deren volle Aufmerksamkeit und grosses Können erforderte. «Und nicht zu vergessen, die Pflege auf der Station, die Physiotherapie».

Akzeptiert: Lassen wir das Kompliment aus berufenerem Munde kommen. «Dr. Mameghani ist eine absolute Koryphäe auf dem Gebiet der Wirbelsäulenchirurgie», wird die leitende Neurologin der Rehab Basel später zu dieser «Schlosser-Arbeit» sagen.

Dann die Diagnose: Ich bereife die gesamte Tragweite noch nicht. Noch immer fühle ich mich wohl, habe kaum Bedürfnisse und keine Fragen. In ein paar Tagen werde ich in eine Reha verlegt. Entweder nach Nottwil oder nach Basel. In ein Fachklinik für Neurorehabilitation und Paraplegiologie auf jeden Fall.

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Die Hauptdiagnosen: Hinzu kommen noch eine gerissene und eine gespaltene Sehne in der rechten Schulter. Aber der gute Superspinatus macht den Braten auch nicht mehr feiss.

Konkret heisst das:

Es wird bleibende Schäden geben. Teilweise gelähmte Arme, Gefühls- und Krafteinschränkungen in Armen und Händen, zum bewegen des Kopfes bleibt noch ein Gelenk – das Genick. Der rechte Oberschenkel bleibt gefühllos – jedoch: Die Beine funktionieren! Gelobt sei Weroderwasimmerdasmacht!

Weitere Leitungen vom Gehirn über das Rückenmark in den Körper hinaus sind beschädigt. Es werden Monate der Therapie und der Rehabilitation folgen. Was langfristig kaputt bleibt, wird sich erst in 1 bis 2 Jahren zeigen.

Die fünf Knochenbrüche im Gesicht lassen optisch unahbhänge Menschen wie ich einfach verwachsen.

Aber da sind noch diese zwei Risse im Gehirn. Genauer gesagt im Frontlager hinter der Stirn. Die kleinen, blutenden Einrisse werden mir noch verdammt viel Ärger machen. Eigentlich mehr als alles andere. Das alles ist mir aber jetzt noch ziemlich Wurst. Ich warte einfach ab, bis ich die Arme wieder bewegen kann.

Darf ich vorstellen: Der DACHSCHADEN aka Hirnfunktionsstörug. Mein digitales Gehirn (DH) oder Faceing Fuckbook ist in diesen Tagen übrigens ohne Inhalt.

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