Kategorie-Archiv: 13down

Folge 3: Tweets aus dem Nirvana

23. März 2016 Peebles Hospital, Tortola BVI

Darf ich vorstellen? – Mein digitales Gehirn!

DH

Bitte nicht kichern. Seit ich mir den Kopf etwas heftig angestossen habe, muss ich zwei Gehirne benutzen. Und die unterscheiden sich noch gewaltig! Das digitale Gehirn (DH) ist verlässlich und lückenlos. Nur: Es gehört mir nicht. Ist bloss ausgeliehen von Facebook.

Heute seht ihr, warum ich mein DH für #13down-Live so dringend brauche. In Folge 2 habe ich euch mit meinem organisches Gehirn (OH) erzählt, wie es sich anfühlt, nach 3 Tagen aus dem Koma zu erwachen. Und nur Stunden später erinnert mich mein DH an Dinge, von denen ich bis heute keine Ahnung hatte! – By the way: Nachträglich herzlichen Dank für die vielen Genesungswünsche. Ich bin sicher, dass es mich damals sehr berührt hatte.

Um in den Genuss des umfassenden #13down-Live-Erlebnisses zu kommen ist es für interessierte Leser*innen sinnvoll mein DH direkt anzuzapfen. Der Grund: Irgendwann werde ich es sich selbst (bzw. Facebook) überlassen und nur noch «organisch» weiterschreiben. Vorläufig werde ich für #13down relevante Erinnerungsfetzen aus meinem DH teilen: Um euch direkt mit meinem DH zu verbinden gibt es vier Möglichkeiten:

  1. Trete der FB-Gruppe #13down bei:https://www.facebook.com/groups/13down/
  2. Werde mein*e Freund*in:
    https://www.facebook.com/leo.ferraro.9/
  3.  Du bist ein Katzenmensch? – Like mein Rudel Halbbengalen:
    https://www.facebook.com/chatzalp/
  4. Folge mir auf Twitter:
    https://twitter.com/ferraro_leo

Wer sich einen Deut um all dieses digitale Social-Media-Zeugs schert und lieber ausschliesslich mit meinem OG zu tut haben will, der/die tut das hier:

  1. www.13down.ch

Und alle Nostalgiker*innen, die sich mit Wehmut zurück nach ihrem analogen Leben sehnen, dürfen natürlich auf das Papier warten. Vielleicht werde ich gegen Ende meines zweiten Lebens – wie viele Autoren – eine Biografie schreiben. Vielleicht auch nicht. Das wäre ja auch ziemlich anstrengend. Könnte ja auch sein, dass so ein Papierbuch bis dahin sowieso obsolet sein wird. Aus Gründen. Was meint ihr dazu?

  • 24. März: Die Heimreise
  • 27. März: Unter dem Messer
  • 30. März: Üble Diagnose, kein Schreck

Folge 2: Das Wiedererwachen

20. März 2016: Peebles Hospital, Tortola BVI

Die ersten Fotos auf meinem digitalen Gehirn sind nicht besonders hübsch. Stella hat sie gemacht. Ich glaube, sie war jeden Tag einmal im Spital.

An den exakten Moment des Aufwachens erinnere ich mich nicht. Also kein «Bin ich jetzt im Himmel?» oder «Ist die Krankenschwester ein Schwarzer Engel?». Nichts davon. Aus der ganzen Zeit im Peebles Hospital bleiben mir genau 5 Bilder im Kopf. Eins davon leicht bewegt, eins mit einer Art Sprechblase. Weil ich nicht so toll zeichnen kann, werde ich die Bilder weiter unten kurz beschreiben.

Tatsache ist: Ich fühlte mich ganz gut! Keine Fragen, keine Bedürfnisse, keine Langeweile, keine Sorgen und vor allem: Keine Schmerzen! Das gilt übrigens für die ganze Zeit. Es gibt über all die Monate nicht die geringste Erinnerung an Schmerzen. Oder sagen wir: Was ich so bezeichnen würde.

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Keine Erinnerung an Schmerzen: 20. März 2016, Peebles Hospital, Tortola BVI. Foto: Stella

Gut, gerade in dieser Gegend der Welt seien die Menschen ja besonders kompetent, was den Einsatz von Drogen aller Art angeht. Trotzdem: Es bleibt nicht eine einzige negative Erinnerung zurück. Das finde ich erstaunlich. Andererseits: Es bleibt auch sonst nicht viel. Keine Person, kein Arzt, keine Pflegerin, keine Mahlzeit. Ich könnte nicht einmal sagen, ob ich in diesen 8 Tagen überhaupt einmal auf dem WC war. Ich lag einfach da, und mir war wohl. Zwar konnte ich die Arme nicht bewegen – aber so verbeult wie ich war dachte ich nicht länger darüber nach. Das kommt schon wieder.

Stella machte unterdessen eine schlimme Zeit durch. Auf der abgemachten Fähre war ich nicht. Auch sonst keine Spur, kein Telefon, nichts. Irgendwann schrieb ich ihr eine SMS «Bin im Spital lg“. Sie rannte, organisierte, telefonierte. Sie stand Ängste aus und musste schwierige Entscheidungen treffen. Und in einigen Tagen wird sie mich alleine zurück in die Schweiz schleppen. Mit einem normalen Linienflug. Wer weiss? Möglicherweise hat mir Stella irgendwo hoch über dem Atlantik das Leben gerettet. Dazu mehr in der übernächsten Folge.

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Physisch zwar anwesend, das Bewusstsein aber noch irgendwo draussen auf dem Meer: Der erste Tag meines zweiten Lebens. Foto: Stella

Jetzt noch zu den 5 Bilder in meinem Kopf. Das ist meine einzigen organischen Erinnerungen an die Zeit zwischen Unfall und Heimreise eine Woche später.

  1. Ich sehe durch eine offene Cockpit-Türe, sehe Hinterköpfe von zwei Piloten und die Frontscheibe eines Flugzeuges. Meine Position ist liegend. Ob wir stehen oder fliegen weiss ich nicht.
  2. Ein weiss gekleideter Mensch steht neben meinem Bett und hält mir ein kleines Tütchen Gras vors Gesicht. Ich erkenne meinen Reiseproviant. In seiner Sprechblase steht: «I put this away for you, OK»? In meiner steht: «OK. Thank you»!
  3. Von den täglichen Besuchen Stellas und den Konversationen zu unserer Situation, so es sie denn gegeben hat, bleiben mir nur zwei Sätze. Ich soll immer wieder gesagt haben. «Die Vorderbremse!» und «Bald geht unser Flug. Lass uns heimgehen.»
  4. Im Türrahmen meines Zimmers stehen zwei Polizisten mit ihren typischen britischen Uniformen. Die Polizisten hier sehen aus wie diejenigen in London – einfach schwarz. Noch im Spital kommt die Information dazu: «Es ging um den Unfall. Es ist alles ok».Von wem die stammt, weiss ich nicht.
  5. Ich laufe auf meinen eigenen Beinen über den Vorplatz des Spitals und steige mit einem weiss angezogenen Menschen in ein Auto. Von weitem winkt ein anderer weiss angezogener Mensch heftig zur Begrüssung. Ich erkenne den Pfleger (oder Arzt?), der meine Gras «für mich beiseite geschafft hat». Später erfahre ich, dass wir zu einem externen Augenarzt gefahren sind zu einer Untersuchung. Warum ich das weiss? Monate später hat die Versicherung 20 Dollar für ein Augenmedikament zurückerstattet.

Ob sich das genau so zugetragen hat, weiss ich nicht. Ich weiss nur: Das ist alles, was mein organisches Gehirn über diese Zeit hergibt.

  • 23. März: Tweets aus dem Nirvana
  • 24. März: Die Heimreise
  • 27. März: Unter dem Messer
  • 30. März: So fühlt sich der Tod an

 

Folge 1: Die Fliegenklatsche


Anegada, British Virgin Islands, 17. März 2016, 13.35h local time

Tag 0 Stunde 0 –
Meine erstes Leben endet hier

Staffel 1:  4. März bis 17. März (#13down Countdown)
Staffel 2: 17. März bis 29. September

  • 20. März: Das Wiedererwachen
  • 23. März: Tweets aus dem Nirvana
  • 24. März: Die Heimreise
  • 27. März: Unter dem Messer